Drachen, Intrigen, Geschwafel - Mehr von allem in der 2. Staffel "House of the Dragon"
Seit einem Monat läuft die zweite Staffel des Spin-Off zu "Game of Thrones", das die Vorgeschichte des Hauses Targaryen erzählt, in Deutschland (zu sehen u. a. bei Sky bzw. WOW). Drei Wochen gibt es noch je eine neue Folge, dann sind die acht Episoden der lange und sehnsüchtig erwarteten Fortsetzung schon wieder vorbei. Aber hat sich das Warten bisher gelohnt? Größtenteils ja!
Bereits am Ende der ersten Staffel von "House of the Dragon" war das Haus Targaryen tief gespalten. Alicent Hohenturm, frühere beste Freundin und nun Stiefmutter von Rhaenyra, ließ ihren erstgeborenen Sohn Aegon nach Viserys' Tod zum neuen König krönen - vermutlich aufgrund einer missverständlichen Äußerung des im Sterben liegenden Königs, die Alicent aber nicht ungelegen kam.
Als dann auch noch Aemond und Lucerys mit ihren Drachen bei den Baratheons aufeinander trafen, gerieten die Dinge außer Kontrolle, was Luke und Drache Arrax letztlich mit ihrem Leben bezahlen mussten. Vor der langen Pause ließen wir eine Rhaenyra zurück, die mit beängstigend hasserfülltem Gesicht auf die Nachricht von Lukes Tod reagierte.
Wie uns jedoch die ersten fünf Folgen der zweiten Staffel inzwischen gezeigt haben, agiert die eigentliche Thronfolgerin trotz der ihr regelmäßig vorgeworfenen fehlender Regierungserfahrung wesentlich reflektierter und vorsichtiger als die meisten anderen Akteure beider Seiten. Im Gegensatz zu ihrem Onkel/Ehemann Daemon, ihren Halbbrüdern Aegon und Aemond sieht sie einen Krieg als letztmögliches Mittel, in dem Bewusstsein, dass unabhängig vom Ausgang niemand sich wird als wahrer Gewinner empfinden können. Für Rhaenyra-Fans ist das toll, doch eine der größten Stärken des Game-of-Thrones-Universums, nämlich die Ambivalenz vieler seiner Figuren, mit der ein typisches Gut-Böse-Klischee durchbrochen wird, kommt im Kampf "Schwarz gegen Grün" dadurch ein wenig kurz. Zumindest zwischen Rhaenyra und Alicent fällt eine diesbezügliche Einteilung momentan nicht schwer.
Die Gemengelage bleibt dennoch hinreichend komplex, weil es in Wahrheit schon längst weit mehr als nur zwei Parteien auf den eisernen Thron abgesehen haben. Teilweise verdeckt, aber vereinzelt auch ganz offen zeigen Daemon, Aemond oder Alicent, dass sie sich selbst für den bestmöglichen Herrscher von Westeros halten. Und sie alle bewegen dafür ihre eigenen Figuren über das sprichwörtliche Schachbrett. Auch solche, die insgeheim mehreren Herren dienen, oder ihrerseits ganz eigene Ziele verfolgen. Larys Kraft ist das beste Beispiel für jemanden, dem man zwar nicht über den Weg trauen kann, den man aber lieber an seiner Seite weiß, als dass er sich auf die des Feindes schlägt. Kurz gesagt tummelt man sich, ob in Königsmund oder Drachenstein, im altbekannten Haifischbecken, in dem aufgrund flexibler Loyalitäten Misstrauen gegenüber Freund wie Feind gut für die eigene Gesundheit sein kann.
Anders als in der Mutterserie sind die Drachen nicht nur zahlreicher, sondern durch die Aufspaltung des Hauses Targaryen auch weitaus weniger einseitig verteilt. Sie sind jeglichen menschlichen Streitkräften bei weitem überlegen, und wirken nicht nur deswegen in gewisser Weise wie die Atombomben ihrer Epoche, wie die verheerendste und höchste denkbare Eskalationsstufe des Konflikts. Zudem machen mehrere Verbündete eine Schutzgarantie ihrer Ländereien in Form eines abgestellten Drachen zur Bedingung für ihre Unterstützung. Zwei Gründe, warum Rhaenyra lange zögert, die Drachen ihrer Seite auch im Kampf einzusetzen.
Nichtsdestotrotz gab es bis hierher schon reichlich Drachen zu bewundern, und diese sehen am Boden wie in der Luft einfach klasse aus. In Verbindung mit der tollen schauspielerischen Leistung des ganzen Ensembles führt dies zu durchgängig spannenden und unterhaltsamen Episoden, in denen durchaus auch viele, lange Dialoge zu verfolgen sind. Klar ist, dass in solchen Szenen die Action auf der Strecke bleibt, doch kann jeglicher Austausch in Windeseile eskalieren, und kaum eine Unterredung bleibt inhaltlich bedeutungslos. Viel mehr vermitteln die Gespräche ebenso stilvoll wie kompakt wichtige Informationen und schaffen die Grundlage für neue Brandherde, die selten lange auf sich warten lassen.
Und wenn es auch gewisse Charaktere gibt, die in ihrer Wichtigkeit nur eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen, spürt man doch, dass jede Person die Hauptfigur in ihrer eigenen Lebensgeschichte ist, weit mehr als nur ein reiner Funktionsträger, um die Handlung nach vorne zu treiben. Auch durch die Komplexität und Lebendigkeit dieses Kosmos zieht die Serie ihre Fans so sehr in ihren Bann.
Gewisse Ereignisse und Entwicklungen bis zum Ende der zweiten Staffel sind auch ohne vorherige Lektüre der Buchvorlage von George R. R. Martin absehbar oder zumindest zu vermuten. Doch werden die verbleibenden drei Folgen wohl auch für Kenner*innen hier und da noch kleinere Überraschungen bereithalten. Nicht überrascht wäre ich wiederum, wenn mir die Wartezeit bis zum Beginn der dritten Staffel wieder fürchterlich lang vorkäme. Diese ist zwar schon bestätigt, ein Ausstrahlungstermin aber wohl noch in weiter Ferne. Mit einem Drehbeginn wird jedenfalls nicht vor Anfang 2025 gerechnet.