"Ein Händedruck ist auf Nachfrage machbar" - 2. Staffel "Severance" jetzt bei AppleTV+

Mit der ersten Staffel seiner Show "Severance" nach einer Idee von Dan Erickson konnte Produzent und Regisseur Ben Stiller (mit Aoife McArdle) bereits ein größer werdendes internationales Publikum für sich gewinnen. Der Start von Staffel 2 war ein willkommener Anlass, mich endlich mit eigenen Augen von der Qualität der Serie zu überzeugen.  

Lange, karge und gleichförmige Flure, rätselhafte hierarchische Strukturen und eine ganz spezielle Abteilung, deren Arbeit so geheim ist, dass nicht einmal die dort Beschäftigten verstehen, was sie eigentlich den ganzen Tag tun. Nein, wir sind nicht im örtlichen Finanzamt, sondern bei Lumon Industries in New York – einer Firma, die den Begriff "Work-Life-Balance" extrem wörtlich interpretiert.

Die namensgebende "Severance" (Trennung) erfolgt der Einfachheit halber direkt im Gehirn der Angestellten. Durch einen operativen Eingriff wird man zur gespaltenen Persönlichkeit: im Büro ist man der sogenannte "Innie", in der Freizeit der "Outie". Dadurch sind bei der Arbeit alle Erinnerungen an die Außenwelt wie ausgelöscht, und umgekehrt. Ein "dissoziativer Zugang", eine Art Schleusenanlage auf dem Betriebsgelände, bildet sowohl eine räumliche als auch eine mentale Grenze.

Derart ausgeprägte Maßnahmen zur Geheimhaltung sind bemerkenswert, zumal die Tätigkeiten an der Computertastatur ohnehin so kryptisch ausfallen, dass sich niemand einen Reim auf den Zweck oder die Auswirkungen seiner Arbeit machen kann. Umso mehr wächst die Neugier auf die mysteriösen Hintergründe, und zwar nicht nur im faszinierten Publikum, sondern auch innerhalb der Belegschaft.

Mark wird zum neuen Leiter seiner Abteilung befördert, nachdem er schockiert erfahren muss, dass sein bester Arbeitskumpel Petey gekündigt hat. Die Gewissheit, Petey nun weder drinnen noch draußen je wiedersehen zu können, trübt seine Freude erheblich, und auch die Einführung der neuen Kollegin Helly, die am liebsten sofort wieder kündigen würde, gestaltet sich schwieriger als gedacht. Erst als einzelne "Innie"-Details dann irgendwie doch Marks "Outie"-Persönlichkeit erreichen, beginnt er in beiden Welten die vorgefundenen Zustände in Frage zu stellen.

Eine ungemein stylische Optik, nicht nur im Intro, das an den Vorspann eines James-Bond-Films erinnert, und ein gewisser futuristischer Retro-Look machen diese Serie zum Hingucker und erschaffen tatsächlich eine ganz eigene, unwirkliche Welt innerhalb des unterirdischen Bereichs von Lumon. Sehr reizvoll dürfen wir gemeinsam mit den Betroffenen, die sich ja daran nicht mehr erinnern können, versuchen zu erahnen, warum sie sich freiwillig auf einen solchen Job eingelassen haben, oder ob sie gar bewusst vor etwas davonlaufen.

Auch die Motive der Firma, deren Abläufe häufig wie die einer Sekte inklusive Gratis-Gehirnwäsche anmuten, sind packend und gar nicht mal so leicht zu ergründen. Es macht großen Spaß, in jeder Folge neue Details und Verknüpfungen zu entdecken, und im Mikrokosmos der Makrodata-Veredelung irgendwelche sinnstiftenden Elemente zu suchen. Auch in der Zweiteilung und dem unerwünschten Versuch, diese wieder zu überwinden, steckt ein großer Reiz und Teil des Erfolgsgeheimnisses der Reihe.

Einige Charakterköpfe im Cast, wie John Turturro, Patricia Arquette oder Christopher Walken, wird man sofort erfreut wiedererkennen, andere Ensemblemitglieder haben sich bisher in der breiten Öffentlichkeit noch keinen so großen Namen gemacht. Umso mehr lässt sie dies mit ihren Rollen verschmelzen, was ohnehin durch die Bank sehr gut gelingt. Adam Scott und Britt Lower helfen uns besonders fürsorglich dabei, uns während unserer ersten Schritte bei Lumon zurechtzufinden.

Ob nun für die Vorzüge einer guten und spannenden Mystery-Science-Fiction, oder auch nur als schwacher Trost, dass die eigene Arbeitsstelle vielleicht doch vergleichsweise gar nicht so schlimm ist – wer "Severance" so wie ich bisher verpasst hat und über einen Account bei AppleTV+ verfügt, kann und sollte nun anlässlich des Beginns der 2. Staffel (wöchentlich ab 17.01.2025) ruhig mal reinschauen.