"The Acolyte" - Neue Sternen-Story bei Disney+
Es war einmal vor langer Zeit in einer weit, weit entfernten Galaxis... damals gab es ungefähr alle zwei bis drei Jahre den jeweils neuesten Teil der Trilogie eines Sternenmärchens von Lucasfilm im Kino. Dann war wieder Jahre, oder gar Jahrzehnte Funkstille, und eine entsprechend große Erwartungshaltung baute sich auf, bis irgendwann endlich die nächste von bisher drei Trilogien begann.
Heutzutage wird zumindest in zeitlicher Hinsicht unsere Geduld nicht mehr auf eine so harte Probe gestellt. Neben ergänzenden Kinofilmen aus der "A Star Wars Story"-Reihe sollen Fans auf der ganzen Welt mit einer Menge TV-Serien bei Laune gehalten werden, die zudem als frischer Content für die Abonnent*innen von Disney+ dienen. Mit "The Acolyte" hat letzte Woche bereits die sechste Live-Action-Show im Laufe der letzten fünf Jahre begonnen, diverse animierte Formate nicht mitgezählt. Die Erwartungshaltung vieler Fans ist jedoch deswegen nicht geringer geworden.
"The Book of Boba Fett"? Ziemlich enttäuschende Mini-Serie um einen heimlichen Fan-Liebling. "Obi-Wan Kenobi"? Nur unwesentlich besser. "Ahsoka"? Nicht schlecht, wirkt aber phasenweise wie eine erzwungene Expansion des gelegentlich doch ziemlich ordentlichen "Mandalorian". Einzig "Andor", die Vorgeschichte des gleichnamigen Rebellen, die in "Rogue One" und damit auch konsequenterweise in Ur-Episode IV "Eine neue Hoffnung" mündet, vermag das Publikum bisher vollumfänglich zu überzeugen. Die zweite, finale Staffel wird jedenfalls sehnlicher erwartet, als die meisten anderen aktuell angekündigten Disney-Produktionen.
Mit "The Acolyte" wird nun ein vergleichsweise früher Zeitabschnitt im Star-Wars-Universum näher beleuchtet. Es geht zurück bis 100 Jahre vor dem Aufstieg des Imperiums, in die Ära der Hohen Republik. Eine junge Frau, die recht bald als ehemalige Padawan namens Osha Aniseya identifiziert wird, reist umher und tötet Jedi. Doch auch nachdem ihr früherer Meister Sol sie in Gewahrsam nehmen konnte, gehen die Morde weiter. Nun gerät Oshas Zwillingsschwester Mae in Verdacht - obwohl Sol diese schon als Kind mit eigenen Augen sterben sah. Gemeinsam mit seiner neuen Schülerin Jecki Lon, dem Jedi-Ritter Yord, einem von Oshas früheren Gefährten, und Osha selbst nehmen sie Ermittlungen auf und versuchen Mae zu finden, bevor sie ein weiteres Mal töten kann. Sie scheint es auf vier Jedi-Meister abgesehen zu haben, die auf irgendeine Weise in die verheerenden Ereignisse auf dem Planeten Brendok verwickelt waren, bei denen Oshas und Maes Familie ums Leben gekommen war...
In technischer Hinsicht bietet uns Disney mit seiner neuen Show mehr vom Gleichen auf gewohnt überdurchschnittlichem Niveau an. Grundsolide gefilmt, gute Ausstattung und Kostüme, und in Anlehnung an "Andor" setzt man erfreulicher Weise auch hier ein wenig mehr auf praktische Effekte und echte Schauplätze, dafür etwas weniger auf Green Screen, bzw. die im Zusammenhang mit dem "Mandalorian" entwickelte StageCraft-Technologie. All die gezeigten Geschehnisse wirken dadurch sogleich um ein Vielfaches greifbarer, was der Atmosphäre zugute kommt. Die inzwischen schon mehr als klassischen Überblendungen gehören seit den späten 1970ern auch hier schlicht zum guten Ton dazu.
Auch inhaltlich wird zum Teil auf Jahrzehnte alte Konstellationen zurückgegriffen. Natürlich geht es um Gut gegen Böse, denn dies ist einer der Markenkerne von "Star Wars", ebenso wie moralische Dilemmata, innerliche Konflikte, Allianzen und schwerwiegende Entscheidungen. Doch auch en detail bedient man sich altbewährter Themen. Denn ein machtbegabtes Zwillingspärchen gab es schon mit Luke und Leia. Auch ist das Franchise allgemein voller familiärer Verstrickungen, durch welche immer wieder die heikle Frage nach Loyalität aufgeworfen wird. Und wie häufig bereits Padawan-Schüler ihre Ausbildung abbrachen, weil sie sich entweder nicht für fähig hielten oder den Verlockungen der Dunklen Seite erlagen, kann wohl kaum noch an zwei Händen abgezählt werden, beginnend mit Anakin Skywalker, und zuletzt so gesehen bei "Ahsoka" in Person von Sabine Wren.
Dass eine Reihe ihren Kernelementen treu bleibt, kann und sollte man ihr einerseits nicht zum Vorwurf machen. Dennoch wirkt bei den meisten dieser neuen Serien, trotz aller technischer Raffinesse, das Storytelling oftmals als großer Schwachpunkt. Ein wenig zu schablonenhaft fühlt es sich an, wenn immer wieder ähnliche gebrochene oder schicksalsbeladene Charaktere auftauchen, die unter ihrer Vergangenheit leiden und nicht selten auf Rache gegenüber irgendjemandem sinnen. Vielleicht fehlt auch jeder einzelnen Serie ihr eindeutiges Alleinstellungsmerkmal, ein unverwechselbares Element. Der kleine Grogu aus "The Mandalorian" könnte so jemand sein, wäre die Show nicht (gewollt) inhaltlich zu sehr mit Ahsoka verschmolzen.
Das Autorenteam soll als Vorgabe für seine Arbeit erhalten haben, stilistisch eine Mischung aus "Die Eiskönigin" und "Kill Bill" zu kreieren. Falls es gelungen ist, das Beste aus diesen beiden Welten zu vereinen, klingt dies ja sogar gar nicht mal so schlecht - wenn auch einige der bisher bereits gesehenen Martial Arts-Szenen in diesem Kontext noch etwas gewöhnungsbedürftig wirken. Ob und inwieweit es "The Acolyte" gelingen wird, sich seine Individualität zu erkämpfen, werden die nächsten Wochen zeigen. Nach den ersten zwei Folgen wirken einige der Charaktere, wenn auch ganz sympathisch, noch recht austauschbar, und es wird dringend notwendig sein, deutlich mehr über ihre Persönlichkeit und ihre Motive zu erfahren - das Ganze möglichst auf elegante, spannende und nicht zu plumpe Weise, ohne dass der Fortgang der Handlung dabei zu sehr in den Hintergrund rückt.
Fest steht nur so viel: die Serie ausgerechnet für ihre "übertriebene Wokeness" wegen eines sehr diversen Cast und unter anderem einer nicht-binären Person (Amandla Stenberg) in der Hauptrolle zu kritisieren, ist nicht nur ganz schön faul und bequem, sondern außerdem meiner Meinung nach auch noch ziemlich beschränkt.