"Wilson Bier?" - Ausbaufähige Berliner Kiez-Comedy

21.06.2025

Wilson Gonzalez ist ein leidlich sympathischer Berliner Loser – zumindest in der ZDFneo-Eigenproduktion "Späti", die Gonzalez sich gemeinsam mit Martin Waldmann ausgedacht hat. Passend zum Namen kommt die Serie reichlich spät im Verlauf ihrer ersten und bisher einzigen Staffel auf Touren. So braucht's leider eine Menge, um sich das Gesehene schönzusaufen.  

Fred ist nicht einfach nur ein notorischer Pechvogel. Mit seiner Unzuverlässigkeit, Trantütigkeit und weiteren eher kindischen Verhaltensmustern sorgt er selbst zu einem gehörigen Anteil dafür, dass ihm nichts gelingt, er keinen Job lange behält, und ihn letztlich seine Freundin Maya verlässt. Kein Wunder, dass sie eine stabile, seriöse Beziehung mit Fred inzwischen für ausgeschlossen hält.

Als Hakan, Mayas Vater und Besitzer von Freds Lieblings-Späti, überraschend verreisen muss, kann und will er seine jüngere Tochter Aylin nicht mit dem Laden alleine lassen. Fred scheint die beste, weil einzige Lösung zu sein, auch wenn er zwar volljährig, aber längst nicht erwachsen ist. Die ihm neu übertragene Aufgabe bietet Fred die Chance, zu einer verantwortungsbewussten Persönlichkeit heranzureifen. Selbstredend, dass dies für alle ein langer und steiniger Weg wird...

Mit einer ihrer neuesten Serien eifert die die "bild- und tonfabrik" ähnlichen deutschen Produktionen wie zuletzt "Die Discounter" oder "Gerry Star" nach. Allerdings handelt es sich im Gegensatz zu diesen Beispielen hier nicht um einen Mockumentary. Die Story wird also nicht durch Interviews aufgebrochen, in denen sich die Akteurinnen und Akteure direkt an das Publikum wenden. Dafür weisen die Charaktere frappierende Ähnlichkeit mit denen der vorgenannten Shows auf.

Hier wie dort wird das Grobe, Ungehobelte und damit vermeintlich Authentische sogenannter einfacher Leute zelebriert. Menschen, die offenkundig mit ihrer eigenen Existenz überfordert sind, sich dennoch irgendwie durchschlagen, und gelegentlich auch mal ein Herz für Andere entdecken, werden offenbar derzeit in der Comedy-Branche als en vogue eingeschätzt. Dabei steigt "Späti" zwar nicht gar so tief in den Fremdscham-Keller hinunter wie beispielsweise die Charaktere in "Gerry Star", deren Fehltritte zeitweilig weit über die Schmerzgrenze hinausgingen. Die Realismus-Scharniere der Handlung werden dennoch immer wieder so arg gedehnt und gestreckt, dass es reichlich quietscht und scheppert. Inkompetenz allerorten, kaum jemand, der sich ausnahmsweise mal sozial adäquat oder fachkompetent verhält, und doch bleiben alle Figuren in ernüchternder Alternativlosigkeit aneinander kleben

Es braucht sogar eine reichlich versnobte und zunehmend arrogante neureiche Hauserbin als Antagonistin, um das Publikum noch eindeutiger auf die Seite des restlichen Cast zu bugsieren. Am wenigsten nötig haben dies die drei Berliner Schnauzen (Eva Weißenborn, Falilou Seck, Torsten Michaelis), die von früh bis spät vor dem Kiosk sitzen, alles angemessen kommentieren und bisweilen sogar mal in die Geschehnisse eingreifen. Auch Aylin (Gülseren Erkut), die einem wirklich leid tun kann, verdient sich ihre Sympathiepunkte selbst.

Schnitt, Kulisse, Kostüme, Musik, all das zeugt von ordentlicher Arbeit. Dass dennoch nur zwei bis zweieinhalb der acht Folgen wirklich einigermaßen Spaß machen, liegt an den mauen Dialogen und dem kleinteiligen Plot, in dem kaum mal so etwas wie Fahrt aufkommt. Daran könne auch die zahlreich auftretenden deutschen Gaststars nichts ändern.

"Du bist mein Senf für's Würstchen" singt Hildegard Knef im Vorspann, während man einen Hund in Großaufnahme dabei beobachten kann, wie er auf den Bürgersteig kackt. Das ist zwar der einzige Moment, in dem jede Episode sich auf das Niveau tierischer Exkremente begibt – vom anderen Extrem einer hochklassigen Comedy-Serie ist "Späti" aber leider noch deutlich weiter entfernt.  

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